Das Konzept der operativen Gruppentechnik

Die in der täglichen Praxis im sozialen Bereich Tätigen, sei dies in der Psychotherapie, der Sozialarbeit, der Medizin, der Psychologie, der Pädagogik oder auch der Forschung, stellen fest, dass es sehr schwierig ist, (neue) Erkenntnisse einzuführen und umzusetzen. Man kann zwar vieles denken, aber es verändert nichts am Handeln. Das operative Gruppenkonzept trägt dieser Schwierigkeit Rechnung und hat zum Ziel, Denken und Handeln zu verbinden. Das impliziert den Einbezug der aktuellen Situation, des Kontextes, in welchem gearbeitet wird sowie die Überprüfung der Annahmen und Methoden, mit denen gearbeitet wird. Es geht also darum, diese verschiedenen komplexen Aspekte zu erkennen und dann zu lernen, sie in ihren Zusammenhängen zu denken.

Das Konzept und die Methode der operativen Gruppe geht davon aus, dass jede Gruppe sich um eine Aufgabe formiert. Mit Hilfe der Deutung des gruppalen Prozesses und der Beziehung der Gruppe zu ihrer manifesten und latenten Aufgabe erarbeitet sich die Gruppe ein Bewusstsein ihrer Arbeitsweise und ihrer dabei angewendeten Vorstellungen und Theorien. Dabei differenzieren sich die verschiedenen Aspekte der Aufgabe, für die die Gruppe ihre eigenen (neuen) Lösungen findet. Im Verstehens- und Deutungsprozess kommen verschiedene Perspektiven zur Anwendung:

Die sozio-dynamische Perspektive betrachtet die Gruppe als Ganzes, also deren gesamte Dynamik, das Zusammenspiel der Mitglieder und der von ihnen übernommenen Rollen in der Auseinandersetzung mit ihrer Aufgabe.

Die psychologische Perspektive untersucht die Beziehungen des Menschen zu den anderen Gruppenmitgliedern. Diese werden geprägt durch Vorstellungswelten, Rollenmuster und Erfahrungen aus früheren Zugehörigkeitsgruppen, insbesondere der Herkunftsfamilie.

Die institutionelle Perspektive untersucht das Zusammenspiel von mehreren Gruppen, die einer Institution angehören. Sie fragt ausserdem nach der Beziehung zwischen der gruppalen und der institutionellen Dynamik.

Zur Methode der operativen Gruppe gehört ein spezifisches Setting und die Arbeitsweise der Equipe (Koordination und Beobachtung).

Anwendungsgebiete

Gruppentherapie, Familien- und Paartherapie, Teamsupervision, Lerngruppen (zum Erlernen der operativen Konzepte und für andere Aufgaben), Begleitung von Forschungsteams, Selbstverwaltungsprojekten, politischen Gruppen, Organisations- und Projektentwicklung und ähnliches mehr.

Entwicklungsgeschichte

Das operative Gruppenkonzept wurde von Enrique Pichon-Rivière in den Jahren 1938 bis 1977 entwickelt. Es ist in Lateinamerika eine stark verbreitete Lehre in der Sozialpsychologie. Armando Bauleo und weitere Emigrant_innen haben es in den 60iger Jahren nach Europa gebracht. Heute wird das operative Gruppenkonzept vor allem in Italien, Spanien und durch die AGOG in der Schweiz angewandt und weiterentwickelt. Die Zeittafel gibt einen schematischen Überblick über diese Entwicklungsgeschichte.

vgl. auch den Wikipedia-Beitrag über Grupo operativo (deutsch)